»Grandiose Flops«

#4 | Anno 1996: Popstar – Ein Jahr Ruhm und den Rest des Lebens Frieden



»There's no business, like showbusiness«, heißt es. Wer kennt es nicht. Wer aber hat es wirklich erlebt?

Es war einmal ein junger Mann, der glaubte vom Leben nicht genügend abbekommen zu haben. Also saß er eines Nachts in bierseligem Griesgram versunken auf einer Treppe in einer Münchner Szene-Disco, allwo eine ihm bekannte Zeitungsredakteurin ihn derart auffand und zu seinen Zukunftsplänen befragte. Dieser junge Mann nun antwortete damals, was alle jungen Leute heutzutage antworten würden: "Popstar werden oder Schauspieler, Bösewicht am besten".

Tags drauf klingelte dann das Telefon. "Guten Morgen, Christoph," hieß es damals, "was du gestern gesagt hast – ich glaub, ich kann dir dabei helfen." Worum es ging: Das früher gedruckt erscheinende Jugendmagazin jetzt der Süddeutschen Zeitung plante eine Reihe über vier junge Münchner/innen und ihr Leben, ihre Ziele und Erfolge, und wohl auch über ihre Niederlagen.


Ein Vorhaben, das gerade recht kam für einen, der gute zehn Jahre vor "Deutschland sucht den Superstar" sich in den Kopf gesetzt hatte, aus dem Nichts ein Star zu werden.

Los ging es unter der Überschrift »Christoph wird Popstar oder Bösewicht« – ein vollmundiges Versprechen, das natürlich einen gewissen Zugzwang erzeugte. Fitnesstraining, Gesangsunterricht, Tanzstunden in einer Ballettschule, dazu nächtliche Soundtüfteleien am Apple Macintosh IIcx im Zusammenspiel mit einem Roland XP-10 Synthesizer – keine Mühe scheute der junge Mann darauf, sich den Gipfel des Ruhms zu erkämpfen. Zeitgleich sollte natürlich auch die Schauspielkarriere in Gang kommen. Überzeugt davon, ein begnadeter Schauspieler zu sein, wurde geschwind ein Casting-Video angefertigt und an diverse Agenturen verschickt. Am Ende reichte es zwar nur für kleinere Sprechrollen á la "Skinhead" oder "Patient" bzw. "schwuler Frisör" oder "Rocker" in verschiedenen Vorabendserien, und aus Popstar blieb ein bescheidener Flötist in der Death Metall-Riesenkombo "Haggard", doch dem Star-Feeling tat das keinen Abbruch: Tuschelnde Mädchen in der U-Bahn, rätselhafte Anrufe zur Nacht, ermunternder Zuspruch von näheren und ferneren Bekannten – kein Zweifel, es ging weiter. Aber wohin?

Denn bald war es mit Versprechungen nicht mehr getan. Man wollte Neuigkeiten, Sensationen. Mit untrüglichem Sinn fürs Showbiz nährte der junge Star also die Gemüter mit Erstaunlichem. Und mit Profanem. Ob Bart- oder Bademode, verrosteter Porsche oder Indianerritual im Wald – kein Thema war zu heiß, kein Einfall zu blöde. Und bei allem natürlich kein Wort von dem 15 qm-Zimmer ohne Küche und mit Gemeinschaftsbad auf dem Gang, keine Rede vom ewig klammen Konto, den erbärmlichen Jobs, der mageren Gesangsergebnissen und den Enttäuschungen durch wenig beständige Groupie-Affären – Kopf hoch, »the show must go on«, hieß es damals.

Alles in allem war's dennoch recht lustig. Vor allem die Fototermine mit Julia Sörgel sind uns in ganz besonders guter Erinnerung. Eine Erleichterung war dann aber doch zu verspüren, als sich das Jahr seinem Ende näherte und der also kurierte Möchtegernstar zum gloriosen Abschied die Planungsvorbereitungen des ersten, rein bayerischen Raketenstarts melden durfte: »Bayern grüßt die Aliens« – mit einem Weltraumsatellit in Bierkrug- und Brezenform.

Reprise: Immerhin zum Jahreswechsel 1996/97 fiel dann auch die Entscheidung, sich nach vorausgegangenen Versuchen beruflich als Drehbuchautor ganz auf das Erfinden von Geschichten zu verlegen. Eine guter Vorsatz, wie wir heute finden.


Lesen Sie in der Pressealbum, wie es einem Glücksritter erging, der auszog, um die Segnungen der Privatsphäre zu lernen. Reisen Sie zurück in der Zeit, in die "goldenen Neunziger", als Didi Bohlen noch als Spießer galt und Stars noch eine Ausnahmeerscheinung waren (Texte: Johanna Adorian):

:: Pressealbum aufrufen



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