»Grandiose Flops«

#5 – Anno 1996 – Jetzt Magazin »Wochenshow« (Pressealbum)

In der Druckausgabe des Jetzt Magazins der Süddeutschen Zeitung erschien im Jahre 1996 unter dem Titel "Wochenshow" in regelmäßigen Abständen eine Reihe von Artikeln über das Leben und Werden von Christoph v. Zastrow.

Im anhängenden Pressealbum können Sie die Artikel, so weit vorhanden und digital erfasst, nachlesen.

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»Grandiose Flops«

#4 | Anno 1996: Popstar – Ein Jahr Ruhm und den Rest des Lebens Frieden



»There's no business, like showbusiness«, heißt es. Wer kennt es nicht. Wer aber hat es wirklich erlebt?

Es war einmal ein junger Mann, der glaubte vom Leben nicht genügend abbekommen zu haben. Also saß er eines Nachts in bierseligem Griesgram versunken auf einer Treppe in einer Münchner Szene-Disco, allwo eine ihm bekannte Zeitungsredakteurin ihn derart auffand und zu seinen Zukunftsplänen befragte. Dieser junge Mann nun antwortete damals, was alle jungen Leute heutzutage antworten würden: "Popstar werden oder Schauspieler, Bösewicht am besten".

Tags drauf klingelte dann das Telefon. "Guten Morgen, Christoph," hieß es damals, "was du gestern gesagt hast – ich glaub, ich kann dir dabei helfen." Worum es ging: Das früher gedruckt erscheinende Jugendmagazin jetzt der Süddeutschen Zeitung plante eine Reihe über vier junge Münchner/innen und ihr Leben, ihre Ziele und Erfolge, und wohl auch über ihre Niederlagen.


Ein Vorhaben, das gerade recht kam für einen, der gute zehn Jahre vor "Deutschland sucht den Superstar" sich in den Kopf gesetzt hatte, aus dem Nichts ein Star zu werden.

Los ging es unter der Überschrift »Christoph wird Popstar oder Bösewicht« – ein vollmundiges Versprechen, das natürlich einen gewissen Zugzwang erzeugte. Fitnesstraining, Gesangsunterricht, Tanzstunden in einer Ballettschule, dazu nächtliche Soundtüfteleien am Apple Macintosh IIcx im Zusammenspiel mit einem Roland XP-10 Synthesizer – keine Mühe scheute der junge Mann darauf, sich den Gipfel des Ruhms zu erkämpfen. Zeitgleich sollte natürlich auch die Schauspielkarriere in Gang kommen. Überzeugt davon, ein begnadeter Schauspieler zu sein, wurde geschwind ein Casting-Video angefertigt und an diverse Agenturen verschickt. Am Ende reichte es zwar nur für kleinere Sprechrollen á la "Skinhead" oder "Patient" bzw. "schwuler Frisör" oder "Rocker" in verschiedenen Vorabendserien, und aus Popstar blieb ein bescheidener Flötist in der Death Metall-Riesenkombo "Haggard", doch dem Star-Feeling tat das keinen Abbruch: Tuschelnde Mädchen in der U-Bahn, rätselhafte Anrufe zur Nacht, ermunternder Zuspruch von näheren und ferneren Bekannten – kein Zweifel, es ging weiter. Aber wohin?

Denn bald war es mit Versprechungen nicht mehr getan. Man wollte Neuigkeiten, Sensationen. Mit untrüglichem Sinn fürs Showbiz nährte der junge Star also die Gemüter mit Erstaunlichem. Und mit Profanem. Ob Bart- oder Bademode, verrosteter Porsche oder Indianerritual im Wald – kein Thema war zu heiß, kein Einfall zu blöde. Und bei allem natürlich kein Wort von dem 15 qm-Zimmer ohne Küche und mit Gemeinschaftsbad auf dem Gang, keine Rede vom ewig klammen Konto, den erbärmlichen Jobs, der mageren Gesangsergebnissen und den Enttäuschungen durch wenig beständige Groupie-Affären – Kopf hoch, »the show must go on«, hieß es damals.

Alles in allem war's dennoch recht lustig. Vor allem die Fototermine mit Julia Sörgel sind uns in ganz besonders guter Erinnerung. Eine Erleichterung war dann aber doch zu verspüren, als sich das Jahr seinem Ende näherte und der also kurierte Möchtegernstar zum gloriosen Abschied die Planungsvorbereitungen des ersten, rein bayerischen Raketenstarts melden durfte: »Bayern grüßt die Aliens« – mit einem Weltraumsatellit in Bierkrug- und Brezenform.

Reprise: Immerhin zum Jahreswechsel 1996/97 fiel dann auch die Entscheidung, sich nach vorausgegangenen Versuchen beruflich als Drehbuchautor ganz auf das Erfinden von Geschichten zu verlegen. Eine guter Vorsatz, wie wir heute finden.


Lesen Sie in der Pressealbum, wie es einem Glücksritter erging, der auszog, um die Segnungen der Privatsphäre zu lernen. Reisen Sie zurück in der Zeit, in die "goldenen Neunziger", als Didi Bohlen noch als Spießer galt und Stars noch eine Ausnahmeerscheinung waren (Texte: Johanna Adorian):

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»Grandiose Flops«

#2 | Anno 1995/2005: DNCP-System | Radiobeitrag »Show des Scheiterns«

Zusammenschnitt von Auszügen von einem Radiobeitrag des SWR2 Dschungel zur »Show des Scheiterns« am 15. Juni 2005

"Die Existenzialisten sagten, der Mensch sei zum Scheitern verurteilt. Sie dachten dabei vor allem an den Tod und weniger an einen Gerichtsvollzieher, der morgens um sechs klingelt, um Schulden einzutreiben, oder an die Schmach, sich abgeschlagen und erschöpft als letzter über die Ziellinie zu quälen. Diesen Helden, die dem Erfolg vergeblich hinterherlaufen, widmen Sebastian Orlac und sein Team seit drei Jahren die "Show des Scheiterns", die durch ganz Deutschland zieht. Jeweils drei Kandidaten erzählen den amüsierten Zuschauern die Geschichten ihres Misserfolgs. Die Publikums-Resonanz ist groß, denn die wirtschaftliche Krise lässt heute Pannen und Pleiten blühen. Es wird viel gelacht, weil wir ja alle solche und ähnliche Geschichten aus unserem eigenen Leben kennen: Ganz oben auf dem Treppchen steht immer nur einer, und meistens ist es ein anderer." [SWR Pressetext]

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»Grandiose Flops«

#3 | Anno 1995: Kids for Future – Ding dang dong



In meinem dritten Eintrag zu den ganz großen Flops soll es diesmal um Weltpolitik gehen.

Doch um es gleich zu sagen: Es war nicht im eigentlichen Sinn "mein" Projekt. Ich war dabei. Nur gehörte ich nicht dazu. Ich hab zwar mitgemacht. Ich war aber nicht verantwortlich. Ich war nur ein Hilfswilliger, ein Mitläufer, ein Befehlsempfänger auf dem Wege zu einer besseren Partywelt. Natürlich trifft mich keine Schuld und von einer solchen sage ich mich vorsorglich an dieser Stelle auch rundum los. Wenn damals jemand schuld trug, dann waren es selbstredend immer nur die anderen. Und es soll hinterher keiner behaupten, ich hätte vorher wissen können, wo das alles hinführt: nämlich nirgends.

Was war geschehen? »Die Welt retten, Spaß haben und dabei Geld verdienen« - frei nach diesem Motto war eine lustige Truppe von Münchner Party-Tigern im Jahre 1995 angetreten, um als »Kids for Future« dem französischen Staatspräsidenten mal gehörig die Meinung zu geigen.


Vorausgegangen war eine Meldung, wonach die französische Staatsregierung unter Führung von Präsident Jacques Chirac, weit weg von zu Hause, im südpazifischen Mururoa-Atoll, mal wieder ein A-Bömbchen oder ihrer zwei hochgehen zu lassen gedachte. Unterirdisch, versteht sich. Fast verborgen vor den Augen einer erschreckten Öffentlichkeit, die doch gerade erst die Unbill des kalten Krieges überwunden zu haben glaubte, sollte mal eben allen aussteigewilligen Kolonien die Stärke der Nation demonstriert werden.

Die Franzosen, arrogant wie sich Atommächte nun einmal zu benehmen pflegen, ließen sich natürlich von keinem noch so lauten Protestgeschrei beirren. Viel fehlte nicht, doch immerhin sah man in diesem Jahr wenigstens davon ab, den Super-Cruiser Rainbow Warrior der unerschütterlichen Lichtritter vom Orden des Grünen Friedens fachgerecht zu versenken, wie weiland geschehen im Jahre 1985 vor Neuseeland.

Wie auch immer, es war dies die Zeit der spaßigen Bürgerbewegungen: Wiedervereinigung, Lichterkette, Loveparade. Anlässlich des bevorstehenden Atomtests fiel es den eingangs erwähnten Nightlive-Djangos zu München ein, es sei an der Zeit, sich mit einer klingenden Protestaktion ebenfalls in die Analen der Weltverbesserungsgeschichte einzutragen. Und zwar mit einem Protestsong auf Basis eines altbekannten Kinderliedes, doch im Eurodance-Style auf 120 bpm. Die inspirierten Zeilen lauteten so:

pour Jacques

Frère Jacques, Jacques Chira(que)
Dormez vous? Dormez vous?
Sonnez les matines, sonnez les matines,
Ding dang dong, ding dang dong.
(We are the future, can’t you here us? Think about it!)

[Trad. arr. by Knote/Grunitz/Baumann | produced by Andy Knote for Kult enterprises, Birgit Baumann, Pitt Grunitz | together with Wanja Belaga and Peter Huber at Toyco Studios Munich | published by Edition toyco/Siegel co-published by deluxe Verlag]

Für die Tatsache, dass Producer Andy Knote es bei diesem eher durch Schlichtheit glänzendenden Song auf sage und schreibe DREI verschiedene Mixe derselben Einfalt brachte (Radio Edit, Extended Version, Slow Version), hätte, und das ist mein Ernst, allein schon einen Grammy Award verdient.

„Gut gebrüllt“, fand auch die Firma Sony Music Entertainment, die sich nicht entblödete, dem Projekt mit einem satten Vorschuss Leben einzuhauchen. Wobei ich rückblickend beinahe davon ausgehe, dass die Plattenbosse tatsächlich ein politisches Interesse antrieb, fanden die betreffenden Atombombenversuche doch quasi im Hinterhof des damals noch in voller Blüte stehenden japanischen Muttersitzes statt. Und dass man in Japan, als ehemaligem "Atombombentestgebiet", nicht gerade Freude dabei empfand, wenn Goodzilla mal wieder ein paar Eier legt, leuchtet ein.

Mit Spaß gegen die böse Bombe – so oder ähnlich wollten die »Kids for Future« die Welt verändern und Sie, liebe Leser, stellen die richtige Frage, wenn Sie nun endlich wissen wollen: Wer waren eigentlich diese "Kids"? Wir? Die anderen? Oder alle zusammen? Menschenskinder! Ich glaube es waren einfach "die da" oder allgemeiner "sie". Denn Kinder wollen doch sowieso immer nur das Beste für alle und die Welt. Am liebsten malen sie mit Fingerfarben. Irgendwas in der Art.

Über die Motive der anderen Beteiligten mag Gott urteilen, doch für mich als altem Demo-Muffel konnte es nur einen Grund geben, an dieser Clownsnummer mitzuwirken: Geld. Daran war ich eben zu dieser Zeit etwas knapp. Darum und für den kapitalistisch ausbeuterischen Stundenlohn von rund 10,- DM durfte ich fortan Telefonwählscheiben durchrubbeln, dass es eine Freude war. Warum auch nicht? Das angezielte Ergebnis diente ja einer guten Sache.

Weniger als Folge meiner Gespräche mit Pressevertretern (wie z.B. einem argwöhnischen NZZ-Redakteur, der dem Projekt von Vorneherein jegliche Seriosität absprach), sondern eher durch den fruchtbaren Dialog mit engagierten Bündnis 90/Die Grünen-MitarbeiterInnen (die nur im Osten noch so wohlwollend waren, selbst auf den offensichtlichtlichsten Blödsinn herein zu fallen) – am Ende gab’s für mich eine waschechte Demo auf dem Markt zu Leipzig.

Rund 200 unerschrockene Pazifisten hatten sich vor dem Alten Rathaus versammelt, wo ihnen zu eigens bestelltem Kirchengeläut der benannte Song vorgespielt wurde. Weil das dann selbst den gutgläubigsten Aktivisten etwas zu wenig Action war, lief die Entourage singenderweis noch einmal auf dem Markt im Kreise, um schließlich dem Zastrow und seinem zur Unterstützung anwesenden Kumpel ans Leder zu wollen, als nämlich klar wurde, dass die Münchner mit wenig mehr als heißer Luft angereist waren. Wir sind dann auch ziemlich schnell verduftet und zahlten unseren Tribut an die örtliche Bevölkerung später noch in Form eines Autoeinbruchs, dessen Schaden wir bei einbrechender Dunkelheit einem sächselnden Polizeibeamten in die Maschine diktierten.

Die Presse urteilte letztlich milde. Da mir jedoch durch Kollegen von den anderen Demonstrationsorten wie Zürich, Köln oder München berichtet wurde, dass sich die Teilnehmerzahl auf jeweils Plusminus 15 Personen bestimmen ließ, je nachdem, ob die Veranstalter einberechnet wurden oder eben nicht, warte ich bis heute als teilerfolgreichster Demoparty-Organisator auf meine Verdienstmedaille.

Fazit: Die Welt drehte sich. Und wir standen sozusagen dort, wo am wenigsten passiert: im Angelpunkt. Ob der Song sich jemals nennenswert verkauft hat weiß ich nicht. Fest steht aber, dass aus dem Versuch, dem Löwen Frankreich so richtig auf die Zehen zu treten, eher nichts geworden ist. Einzig innerhalb des heimischen Establishment scheint man etwas Magendrücken bekommen zu haben – festzustellen an einem Gerücht, wonach eine große deutsche Bank der Initiative zwischenzeitlich das Girokonto aufgekündigt hätte. Prost Mahlzeit. Das nenne ich einen gelungenen Misserfolg aus München.


:: Song auf Youtube anhören (Extended Version)
:: Artwork (Cover + CD) betrachten
:: Original-Schaltpult Mururoa-Test von 1995
:: Der rote Knopf


»Grandiose Flops«

#1 | Anno 1995/2004: DNCP-System – Christoph von Zastow in der »Show des Scheiterns«



In einer zwischen Sommer 2002 und Herbst 2004 insgesamt achtzehn Mal von der Berliner Künstlergruppe »Kulturmassnahmen« ausgerichteten, wunderbar snobishen Vortragsreihe namens »Show des Scheiterns« berichteten Freiwillige über Vorhaben und Projekte, die nicht zustande kamen.

Scheitern sei etwas Symphatisches, lautete die Botschaft damals, etwas für das man sich nicht zu schämen brauche. Im Gegenteil: Nur wer etwas versuche, könne auch scheitern.


Nachdem die Referenten ihr gescheitertes Projekt mit Hilfe eines Overhead-Projektors und von einem Rednerpult herab dargestellt hatten, und eingebettet in ein Rahmenprogramm aus Musik und Quiz, wurden die Gescheiterten vor und mit dem Publikum für ihren Mut gefeiert, etwas gewagt zu haben.

Die Berechtigung zur Teilnahme an der "Show des Scheiterns" am 18.11.2004 glaubte ich mir mit einer ganzen Anzahl von gescheiterten Projekten redlich verdient zu haben. Tatsächlich interessierte sich Kulturmassnehmer Sebastian Orlac am Ende nur für mein so genanntes »DNCP-System« (kurz für: »Der Neue Christoph Programm-System«). Nicht zu unrecht, hatte ich doch mit dieser um das Jahr 1995 herum und über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren durchgeführten Kampagne nicht weniger vor, als durch planvolle Selbstprogrammierung das Scheitern selbst für alle Zeiten auszuschalten.

Auch wenn es nicht viel Lebenserfahrung braucht, um das Scheitern eines solchen Vorhabens vorauszusehen, war mir eine derartige Weitsicht damals nicht vergönnt. Denn nach einigen empfindlichen Niederlagen vor allem in den Bereichen Liebe, Arbeit und Sozialleben, und unter dem Motto »Wer alles richtig macht, kann nichts falsch machen« ging es mir Mitte der 90er Jahre darum, auf streng wissenschaftlicher Basis (Walter Volpert: Handlungsstrukturanalyse als Beitrag zur Qualifikationsforschung) und mit Hilfe von auf mich selbst angewendeten, unter anderem aus US-amerikanischen Militärdoktrinen her stammenden Prinzipien zielgerichteten Handelns ("Command & Control"), mich quasi innerlich "umzuprogrammieren", also schädliche Verhaltensweisen aufzubrechen und mich auf den Pfad des Erfolges zu führen.

Durch die im Neuen Haus der Münchner Kammerspiele präsentierte Show führte Sebastian Orlac. Das Madolinen Showorchester Kapaikos begleitete den Abend. Als Experte des Abends stand Philosoph und Schriftsteller Dr. Piotr Olszowka bereit und erhellte mit seinem analytischem Durchblick so manch finstere Geistesecke. Dass eben jener Experte mein Projekt am Ende mit dem Prädikat "nicht gescheitert" besah, lag wohl weniger an den unleugbar positiven Effekten meiner Bemühungen, denn an seinem besonderen Blickwinkel: Olszowka erkannte im "DNCP-System" schlicht eine erfolgreich durchgeführte Selbsttherapie. Beim Abschied—ob zum Schäutzen, Weinen oder Abschied-Winken stand mir frei—gab's denn auch ein mit dem Markenzeichen der Show und meinem Namen verziertes Taschentuch.

Einzelheiten zu dieser Sternstunde des Scheiterns erfahren Sie auch in Form von Präsentationsmaterialien der Show sowie einigen Beispieldokumenten aus dem DNCP-System. Zudem empfehle ich Ihnen einen Zusammenschnitt von Auszügen aus einer Radiosendung mit Interview des SWR2 in der Sendung Dschungel vom 15. Juni 2005.


:: »Show des Scheiterns« Präsentationsmaterialien
:: "DNCP-System" Beispieldokumente
:: Teil 2: Das "DNCP-System" und die »Show des Scheiterns« im Dschungel (SWR2 Radio)